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Health Claims: Im Dschungel der Gesundheitsversprechen

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Health Claims: Im Dschungel der Gesundheitsversprechen

Studentenfutter als Lernhilfe, ein Smoothie zum Stärken der Abwehrkräfte und Eiweißpulver, das schlank und gesund macht: Viele Lebensmittelhersteller bewerben ihre Produkte mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben. Für Verbraucher:innen ist nicht immer leicht zu erkennen: Was bedeutet die Aussage überhaupt? Sind die Behauptungen übertrieben oder beruhen sie auf anerkannten Studien?

Lebensmittel können nicht heilen

Wichtig zu wissen: Lebensmittel sind keine Arzneimittel. Kein Mensch kann sich durch ein einzelnes Lebensmittel gesünder, schlauer oder stärker essen. Nahrungsergänzungsmittel wie Vitaminpräparate, Eiweiß- oder Pflanzenpulver zählen rechtlich als Lebensmittel, stehen im Regal aber häufig neben frei verkäuflichen Arzneimitteln und ähneln diesen auch optisch: Meist werden sie in Form von Pillen, Pulvern oder Brausetabletten angeboten. Doch auch Nahrungsergänzungsmittel können Krankheiten weder verhindern noch heilen.

Nahrungsergänzungmittel zählen rechtlich als Lebensmittel. Sie sind zur Ergänzung der Ernährung bestimmt und werden beispielsweise als Kapseln, Pulver oder Brausetabletten angeboten. Heilen können sie nicht.

Im Gegensatz zu Arzneimitteln durchlaufen Lebensmittel, also auch Nahrungsergänzungsmittel, kein Zulassungsverfahren. Die Werbung mit nährwert- oder gesundheitsbezogenen Aussagen auf Lebensmitteln hingegen unterliegt seit 2007 strengen Vorgaben – die Angaben müssen geprüft werden. Kein Lebensmittelhersteller darf nach Gutdünken aufs Etikett schreiben, was ihm gerade einfällt. Die sogenannte Health-Claim-Verordnung regelt, was erlaubt ist und was nicht. Doch die Meldungen bei Lebensmittelklarheit zeigen, dass noch immer viele Hersteller versuchen, ihre Lebensmittel mit Gesundheitsversprechen aufzupeppen. Einige bewegen sich dabei in einem Graubereich oder werben mit unzulässigen Aussagen.  

Gesundheitswerbung im Internet boomt

Die zunehmende Zahl an Online-Shops offenbart eine weitere Problematik: Während die Etiketten von Lebensmitteln oftmals unauffällig sind, kann man online zahlreiche gesetzeswidrige Versprechen finden. Bei entsprechender Beanstandung reagieren Anbieter zwar in der Regel schnell und entfernen die Formulierung. Mit wenig Aufwand ist allerdings eine neue Behauptung in die Welt gesetzt. Für Behörden und Gerichte ist dieser Wildwuchs an unzulässigen Gesundheitsversprechen ein zunehmendes Problem. Auch Lebensmittelklarheit erhält immer häufiger Beschwerden, die sich auf Gesundheitswerbung im Internet bezieht.  

Wir zeigen Ihnen, was erlaubt ist und was nicht – und wie Sie unseriöse Produkte erkennen.  

Nährwertbezogene Angaben: Kalorienarm, fettreduziert, proteinreich

Angaben, die sich nur auf die Menge, nicht auf die Wirkung eines bestimmten Nährstoffs im Lebensmittel beziehen, werden als „nährwertbezogen“ bezeichnet. Darunter fallen Begriffe wie „kalorienarm“ oder „fettarm“ ebenso wie „Ballaststoffquelle“ oder „reich an Calcium“. Auch die Verwendung von Wörtern wie „proteinreich“ und „leicht“ sind geregelt.

Anbieterneutraler Dummy fettreduzierte Chips

Das ist erlaubt:

30 verschiedene Angaben sind in der Health-Claims-Verordnung definiert. Wer diese oder sinngleiche Formulierungen aus dieser Liste verwendet, muss sicherstellen, dass in dem Lebensmittel bestimmte Mindest- oder Höchstmengen des Nährstoffs enthalten sind. Zudem muss der Hersteller den Gehalt des Nährstoffs aufs Etikett drucken. Ausführlich erklären wir die erlaubten nährwertbezogenen Angaben im Artikel „Werbung mit dem Nährwert – strenge Vorgaben für Hersteller“

Das ist nicht erlaubt:

Brot mit Label "Low Carb"

Nährwertbezogene Angaben, die nicht in der „Erlaubt-Liste“ stehen, dürfen nicht verwendet werden – unabhängig davon, ob sie zutreffen oder nicht.

So sind Begriffe wie „low carb“ (engl. für wenig Kohlenhydrate) oder „cholesterinfrei“ nicht definiert und daher kritisch zu sehen. 

Gesundheitsbezogene Angaben: „…trägt zur normalen Muskelfunktion bei“

Werbebotschaften und Aussagen, die eine Wirkung auf die Gesundheit versprechen, müssen belegt sein. Nur bestimmte, von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zugelassene Angaben sind erlaubt.

Das ist erlaubt:

Die meisten zugelassenen Aussagen beziehen sich auf Vitamine und Mineralstoffe, nicht aber auf komplette Lebensmittel. In der Regel versprechen die erlaubten Aussagen auch nur einen Beitrag zur normalen Körperfunktion. Zum Beispiel:

  • „Calcium wird für die Erhaltung normaler Knochen benötigt“
  • „Vitamin B12 trägt zu einer normalen Funktion des Nervensystems bei“ 
  • „Biotin trägt zum Erhalt normaler Haut und Haare bei“

Besonders werbewirksam sind sie damit nicht. Bislang ist nicht klar, ob diese Aussagen wirklich hilfreich für Verbraucher:innen sind. Da sich die meisten zugelassenen Claims auf Nährstoffe beziehen, mit denen die Menschen ausreichend versorgt sind, werden Konsument:innen zum Kauf vermeintlich gesunder Lebensmittel verleitet, die sie gar nicht brauchen.

Einige Hersteller setzen den Lebensmitteln zusätzliche Vitamine zu, um mit bestimmten Aussagen werben zu können. Diese unnötige Anreicherung ist kritisch zu sehen, denn es ist damit zu rechnen, dass besonders gesundheitsbewusste Menschen vermehrt zu solchen Lebensmittel greifen. Bei einigen Vitaminen und Mineralstoffen kann es dann leicht zu einer Überversorgung kommen.  

Das ist nicht erlaubt:

Bei übertriebenen Versprechungen sollten Verbraucher:innen hellhörig werden. „81 Prozent weniger Herzerkrankungen“, „reinigt den Darm“ oder „entgiftet die Leber“: Solche Wirkungen sind von Lebensmitteln nicht zu erwarten, auch nicht von Nahrungsergänzungsmitteln. In der Regel können Verbraucher:innen davon ausgehen: Wirbt der Hersteller auf Lebensmitteln mit der Heilung einer Krankheit, ist die Aussage unzulässig. Bei überzogenen Gesundheitsversprechen – das Produkt xy macht stärker, schlauer, gesünder – können Sie ebenfalls davon ausgehen, dass es sich um eine nicht zugelassene Werbung handelt. Auch wenn vermeintliche Kund:innen ihre Erfahrungen schildern, gelten die strengen Maßstäbe der Health-Claims-Verordnung. Vor allem in Online-Shops, aber auch in Postwurfsendungen und auf Werbeflyern sind dennoch immer wieder überzogene Gesundheitsaussagen für Lebensmittel zu lesen. Verbraucher:innen können solche Produkte und Internetseiten bei Lebensmittelklarheit oder der örtlichen Lebensmittelüberwachung melden.

Detox-Tee: Ein Fall für die Gerichte

Doch wann gilt eine Angabe auf dem Lebensmittel überhaupt als gesundheitsbezogen? Nicht immer ist das eindeutig. In vielen Fällen müssen sogar Gerichte darüber entscheiden, wie eine Werbung zu bewerten ist. Deutlich wird dies am Beispiel unzähliger „Detox-Produkte“. Schon länger ist der Begriff als Wellnesstrend zur „Entgiftung“ oder „Entschlackung“ bekannt. Inzwischen ist er zunehmend auf Lebensmitteln zu finden. Vor allem Anbieter von Tees, Säften und Nahrungsergänzungsmitteln nutzen das Wort, um ihre Produkte besonders gesund aussehen zu lassen. Bereits mehrfach mussten Gerichte entscheiden, ob dies zulässig ist – teilweise mit unterschiedlichen Ergebnissen. Zuletzt sorgte der Bundesgerichtshof für Klarheit, indem er den Begriff „Detox“ auf Kräutertee als unzulässige gesundheitsbezogene Angabe beurteilte. Es handelt sich somit nicht – wie teilweise behauptet – um einen inhaltsleeren Werbespruch, der lediglich ein positives Lebensgefühl vermittelt.

Pflanzenpulver und -extrakte: Vieles ist noch nicht geregelt

Besonders aggressiv werben einige Anbieter von Pflanzenpulvern oder -kapseln mit dem Gesundheitswert. Nach dem Motto „Was natürlich ist, muss gut sein“ werden alle möglichen Pflanzenextrakte zusammengemischt. Das Problem: Während es zur Werbung mit Vitaminen und Mineralstoffen bereits klare Regeln gibt, sind Pflanzenstoffe, die sogenannten Botanicals, noch weitgehend ungeregelt. Die zuständige EU-Behörde hat die Health Claims zu Pflanzenstoffen überwiegend noch nicht bewertet. So lange werden die beantragten, aber noch nicht genehmigten Angaben weiter geduldet. 

Viele Produkte bewegen sich hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe und Bewerbung im Grenzbereich zwischen Arzneimittel und Lebensmittel. Ist ein Produkt pharmakologisch wirksam, müsste es als Arzneimittel eingestuft werden und ein Zulassungsverfahren durchlaufen. In diesem Fall dürfte es nicht mehr als Lebensmittel verkauft werden. 

Gesundheitswerbung: Darauf sollten Verbraucher:innen achten

Wer sich gesund ernähren will, braucht keine speziellen Lebensmittel. Eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung reicht für die meisten Menschen aus. Wer Lebensmittel mit Gesundheitswerbung kauft, sollte auf Folgendes achten: 

  • Lebensmittel sind nicht zur Behandlung von Krankheiten gedacht – auch Nahrungsergänzungsmittel nicht. Werden sie dafür angepriesen, sollten Sie misstrauisch sein.
  • Bei einer gesundheitsbezogene Angabe sollte klar werden, auf welchen Nährstoff oder Inhaltsstoff sie sich bezieht. Gesundheitsaussagen, die sich pauschal auf ein gesamtes Lebensmittel mit verschiedenen Zutaten beziehen, sind in der Regel unzulässig.  
  • Kaufen Sie Lebensmittel nur, wenn diese auch im stationären Einzelhandel angeboten werden und nicht nur als Importware in Online-Shops. Vor allem bei Firmen, die ihren Sitz im Ausland haben, besteht das Risiko, dass sie geltende Rechtsvorschriften umgehen. Im Zweifel verzichten Sie lieber auf den Kauf.
  • Achten Sie auf eine korrekte Kennzeichnung: Auf Lebensmitteln mit Gesundheitswerbung muss unter anderem ein Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise stehen. Die Menge aller beworbenen Nährstoffe und wirksamen Substanzen muss angegeben sein. 
  • Halten Sie sich bei der Einnahme an die empfohlene Menge. Jeder Anbieter, der gesundheitsbezogene Angaben macht, muss Informationen zur Menge des Lebensmittels geben, die erforderlich ist, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen. 

Hinweis: Unsere Kurzmeldungen geben grundsätzlich den Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Sie werden in der Regel nicht aktualisiert.

Der leichtsprachliche Text wurde übersetzt von:
Isabella von Luxburg,
luxburg@leichtzulesen.org,
www.leichtzulesen.org
Mitglied im Netzwerk Leichte Sprache e.V.

Der Text wurde geprüft durch die Prüflesegruppe:
Menschen mit Lernschwierigkeiten Zentrum Leichte Sprache Allgäu,
https://www.kjf-augsburg.de/angebote-leistungen/weitere-angebote/zentrum-leichte-sprache/

 

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Durchschnitt: 4.5 (27 Stimmen)
Mathias Schönthal
21.03.2018 - 08:48

Es ist gut, dass hier auf die Gefahren im Internet aufmerksam gemacht wird. Nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ist mit Geldstrafen zu rechnen, wenn sich jemand nicht an die Verbote zu den unerlaubten Werbeversprechen hält. Der Staat sollte nun endlich mal richtig durchgreifen, vor allem im Ausland. Ggfs. sind neue Gesetzgebungen erforderlich, die es erlauben, im Ausland sitzende Firmen zu belangen. Ähnliches gibt es bereits im Straßenverkehrsbereich...
Glück auf!

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